HENNS GESCHMACKSSACHE: MEHR ALS EIN FRANZöSISCHES BISTRO – SO SCHMECKT'S CARSTEN HENN IM „PETIT FRèRE“

Wo findet man in Köln Junge, Seriöse und Rebellen? Die Aachener Straße kommt einem da durchaus in den Sinn, aber sicher nicht die Weinkarte eines dort Ende 2023 eröffneten Restaurants. Doch genau in diese drei Gruppen hat Sommelière Alex Früh ihre Auswahl gegliedert, die in ihrem Umfang (über 100 Positionen, viel im Bereich um 40-60 Euro) und ihren Informationen zu den einzelnen Gewächsen überdurchschnittlich ist.

Der Umfang des Petit Frère selbst ist dagegen überschaubar, um nicht zu sagen: Es ist ein enger Schlauch, oben mit 30 Plätzen, im Keller mit weiteren 25. Man sitzt nah beieinander, es ist laut. Sprich: vibrierendes Aachener-Straße-Gefühl, mittendrin statt nur dabei. Am Eingang gibt es allerdings einen Tisch, bei dem einem der Vorhang bei jedem eintretenden Gast gegen die Seite drückt. Der Service ist freundlich, man wird geduzt, es dauert aber lang, bis der erste Gang untermalt von basslastiger Musik an den Holztisch gebracht wird.

Französische Klassiker neben italienischen, deutschen und indischen Speisen

Das Restaurant ist der kleine Bruder der beiden Balthasars, sein Name führt jedoch in die Irre. Wer ein französisches Bistro erwartet, wird enttäuscht – oder positiv überrascht. Denn ja, unter den neun Vorspeisen (plus Austern) und sechs Hauptgängen finden sich einige französische Klassiker, aber das Brüderchen serviert auch italienische, österreichische, deutsche und sogar indische Speisen, bleibt dabei aber stets der jeweiligen Landesküche treu. Die Salsiccia fresca, eine frische italienische Bratwurst mit leichter Fenchelnote, wird zum Beispiel mit Fave-Kartoffelragout und wirklich scharfem Senf serviert, vor dem der Kellner zu Recht warnt. Solide gekocht.

Einen wirklich guten und reichhaltigen Eindruck hinterlässt Küchenchef Tim Engelhardts Salade niçoise, mit innen roh gegartem Yellow Fin Thunfisch, klein geschnittenem Romana-Salat, zu groß geschnittenen Zwiebeln, grünen Bohnen, Oliven, Kapern, Kartoffeln, Kirschtomaten, Sardellen und Ei.

Modernes Coq au Vin, weiches Risotto und gelungenes Lachsfilet

Auf schönem Geschirr wird all das serviert, auch das Coq au Vin, welches hier nicht, wie es das Original-Rezept vorsieht, mit altem Gockel, sondern zarter Kikok Hähnchenkeule zubereitet wird. Ansonsten aber ganz traditionell mit Champignons, Speck und Rotwein, der in der Sauce auch eine angemessene Rolle spielt, begleitet von Kartoffelpüree. Deutlich schwächer fällt das zu weich gekochte Risotto Milanese aus, das darauf drapierte, innen leicht glasige Lachsfilet hat dagegen genau die richtige Menge Hitze abbekommen.

Positiv rustikal, wenn auch zu fest, gelingt die geschmorte Schweinenuss Duke of Berkshire, deren Lorbeer-Biersauce von beiden namengebenden Zutaten mehr vertragen könnte. Der Regenbogenmangold hat angenehmen Biss, das Kartoffelgratin einen Hauch zu viel davon. Was aber auffällt: die Serviertemperatur stimmt.

Nur zwei Desserts werden angeboten (sowie eine Käsevariation), auch hier setzt Engelhardt auf Klassiker, die Crème Caramel ganz leicht modernisiert in etwas luftigerer Form mit Knuspertaler obenauf. Bei den Crêpes Suzette wird mit einer kleinen Nocke beim Vanilleeis geknausert und auch von den in Likör marinierten Orangenfilets finden sich zu wenige. In Sachen Süße und Bitterkeit ist das Gericht allerdings gut ausbalanciert.

Fazit: Eine solide Leistung, die das Petit Frère auf der Aachener zur Empfehlung macht. Dazu eine schöne Weinkarte, eine trubelige Atmosphäre und die Preise bleiben im Rahmen. | Bewertung: 3 von 6 Punkten

Petit Frère, Aachener Str. 20, 50674 Köln, Tel. 0221-99 87 46 07 | Di-Sa ab 18 Uhr | www.facebook.com/PetitFrere.Koeln

Henns Auswahl

  • Salsiccia fresca 9 €
  • Salade niçoise 18 €
  • Risotto Milanese mit Lachsfilet 18 €
  • Coq au Vin 16 €
  • Geschmorte Schweinenuss 17 €
  • Crème Caramel 7 €
  • Crêpes Suzette 9 €

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