VIER ZUTATEN, VIERZIG SORTEN: ÜBER BIER GIBT ES VIEL ZU WISSEN

Am 23. April feiern deutsche Brauereien, dass dank des Reinheitsgebots von 1516 ihre Biere nur aus vier Zutaten gebraut werden dürfen. Wie kommen trotzdem so viele verschiedene Sorten und Geschmäcker zustande? Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Pils und Weizenbier? Eine Expertin weiß Bescheid.

Wie lange hält sich eigentlich Bier?

Margit Jekle: Gemäß dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 darf zur Bierherstellung nur Wasser, Malz, Hopfen und Hefe verwendet werden. Das Reinheitsgebot gilt als die älteste, heute gültige lebensmittelrechtliche Vorschrift der Welt. Deutsche Brauereien dürfen, im Gegensatz zu internationalen Brauereien, daher keine Zusatzstoffe wie Aromen oder Farbstoffe außer diesen vier Zutaten dazu geben, da sie ein geschütztes "Traditionelles Lebensmittel" herstellen.

Wie kann man mit so wenig Zutaten so viele Geschmäcker erzeugen?

Mit nur 4 Zutaten 40 verschiedene Sorten Bier mit rund 7000 einzelnen Biermarken herzustellen, erfordert kurz gefasst viel Fachwissen, Zutatenqualitäten und verschiedenste Herstellungsprozesse. Bei Schwarzbier, einem dunklen Vollbier, wird das Braumalz länger geröstet, damit es die dunkle Farbe und Aromen nach Kaffee- und Kakaonoten erhält. Das untergärige Pilsner Bier (Pils) hat im Vergleich zu anderen Biersorten einen erhöhten Hopfengehalt und bietet daher den herberen Biergenuss. Bei Weizenbier werden die Biere mit einem höheren Weizengehalt (durch Weizenmalz) hergestellt.

Alkohol-Exzess im Dienste der Wissenschaft

Der Brauprozess dauert in der Regel circa einen Tag. Und ja, der Brauprozess könnte technisch, jedoch wohl mit Qualitätseinbußen, in der Badewanne ablaufen. Der sich anschließende Lagerprozess dauert jedoch Wochen bis Monate, bevor das Bier trinkbar ist und erfolgt in größeren Tanks beziehungsweise Fässern oder in der Flasche. Während der Lagerung reift der Geschmack des Bieres und erwünschte Aromen bilden sich weiter auf. Unerwünschte Aromen wie zum Beispiel Diacetyl (Butteraroma) baut sich ab. Weiterhin setzen sich während der Lagerung des Bieres Schwebstoffe am Boden des Behälters ab und das Bier wird klarer (Klärung). Als weiterer Vorgang entwickelt sich Kohlensäure durch natürliche Nachgärung oder auch Karbonisierung. Wie bekommt man den Alkohol aus dem Bier?

Prinzipiell gibt es zwei Verfahren, um den Alkohol aus dem Bier zu bekommen. Zum einen wird nach einer normalen Bierherstellung inklusive der Alkoholproduktion und einer Bierreifung im Lagertank der Alkohol im Anschluss daran wieder aus dem Bier entzogen. Hierfür kann eine Vakuumdestillation oder ein Membrantrennverfahren eingesetzt werden. Durch das Ansetzen eines Vakuums unter 50 Grad Celsius kann der Alkohol schonend bei niedriger Temperatur verdampft und so aus dem Bier herausgelöst werden. Dem Bier wird so viel Alkohol entzogen, dass in alkoholfreien Bieren maximal 0,5 Volumenprozent Restalkohol vorhanden ist.

Beim zweiten Verfahren, der gestoppten Gärung, wird der Brauprozess klassisch gestartet, also Hefe der Bierwürze beigesetzt. Die Hefe verstoffwechselt den in der Würze vorhandenen Zucker vor allem zu Alkohol. Bei der gestoppten Gärung wird die Gärung gemäß der Bezeichnung bei einem Alkoholgehalt von maximal 0,5 Volumenprozent gestoppt, indem die Würze kurz stark erhitzt wird.

Die obergärige Hefe bildet bei der Hefevermehrung Sprossverbände, die verbunden bleiben und durch aufsteigende Kohlensäure im Bier nach oben treiben. Demnach liegt die Hefe bei der Gärung oben auf, also obergärig. Die untergärige Hefe bleibt während der Gärung nicht verbunden und setzt sich unten am Boden ab. Demnach untergärig. Die obergärige Hefe benötigt im Übrigen für die Gärung höhere Temperaturen als die untergärige Hefe, die bei niedrigeren Temperaturen aktiv ist.

Warum nun diese Ausführung? Pils schmeckt intensiver nach Hopfen und ist bitterer als Weizenbier, es ist ein untergäriges Bier. Weizenbier hingegen ist ein obergäriges Bier, wie auch Kölsch oder Alt. Weizenbier verdankt seinen Namen im Übrigen seinen Inhaltsstoffen. So wird bei der Herstellung von Weizenbier mit einem höheren Anteil an Weizenmalz gebraut im Vergleich zu Pils. Typisch für Weizenbier ist auch sein weiches Geschmacksprofil und eine fruchtige oder würzige Frische.

Bier gilt als eines der ältesten alkoholischen Getränke. Getreide wurde gesammelt und zufällig mit Wasser stehen gelassen, bis durch eine Spontanfermentation - Hefen gibt es überall, auch in der Luft - diese Maische nach einigen Tagen zu gären begonnen hat. Aktuellen Daten nach soll das Bier älter als 9000 Jahre sein. Die Hintergründe zur Beliebtheit sind vielzählig.

Zum einen war und ist Bier nahrhaft durch den Getreideanteil. Diesen Vorteil nutzten gerade Klöster im Mittelalter während der Nahrungseinschränkungen in der Fastenzeit. So wurde die Regel übertragen "Was flüssig ist, bricht kein Fasten". Daher rührt auch die Herkunft der Starkbiere. Weiterhin konnten einige krankheitserregende Keime durch den Alkoholgehalt im Getränk reduziert werden. Trinkwasser war oftmals mit Fäkalien verunreinigt. Somit war Bier damals, zumindest in Teilen und mikrobiologisch gesehen, das "gesündere" Getränk. Auch wurde in manchen Epochen Bier als Medizin ausgelobt. Und natürlich war die berauschende Wirkung von Alkohol schon von jeher für den Menschen interessant.

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